Die Kieler Hansekogge basiert auf einem historischen Schiffsfund aus dem Jahre 1962. Damals wurden Teile eines historischen Schiffes in der Nähe von Bremen aus dem Weserschlick geborgen. Das gut erhaltene Wrack befand sich anscheinend noch im Bau. Man vermutet, dass sich das Schiff durch eine Flutwelle von seiner Baustelle losgerissen hat. Bei näherer Betrachtung entpuppte sich der Fund als eine wissenschaftliche Sensation, denn es handelte sich um eine fast vollständig erhaltene Hansekogge aus dem Jahre 1380. Bis zu diesem Zeitpunkt war völlig unklar gewesen, wie das berühmte Frachtschiff der Hanse genau aussah und man war auf ungefähre Angaben Abbildungen angewiesen.
1972 erfolgte die zweite Kiellegung der Originalkogge – und zwar in der für den Wiederaufbau der Kogge errichteten Halle des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven. Dort wurden in siebenjähriger, äußerst schwieriger Arbeit die Fundstücke zusammengesetzt: die Steuerbordseite war so gut wie vollständig, die Backbordseite zu einem guten Drittel erhalten. Seit Beginn der 80er Jahre lag die Kogge in einem 800 m3 fassenden Konservierungsbecken in wasserlöslichem Kunstwachs, Polyethylenglykol (PEG), das in etwa 20 Jahren das Wasser in den Poren des Holzes ersetzte, so dass es nicht mehr schrumpft, wenn es der Luft ausgesetzt wird.
Mit dem Wrackfund erhielt die Forschung zum ersten Mal in authentisches Bild von der Form und Bauweise eines Koggenrumpfes. Bis dahin war man auf zeitgenössische Abbildungen, hauptsächlich auf den Schiffsiegeln der Hansestädte, und auf wenige Fundstücke angewiesen. Verständlicherweise kam der Wunsch der Wissenschaft nach einem Nachbau auf. Dieser Nachbau sollte so originalgetreu wie möglich sein, um Erkenntnisse über die nur sehr wenig bekannten Segel- und Transportleistungen dieser Schiffe zu gewinnen. Aber wer hatte die notwendigen Fertigkeiten und wer sollte ein derartiges Projekt finanzieren?
Das Projekt wurde letztendlich mit Hilfe des Vereins „Jugend in Arbeit Kiel e. V.“ verwirklicht. Wichtigstes Anliegen des Vereins war es, arbeitslose und förderungsbedürftige junge Menschen durch die Arbeit an einem Projekt, dessen Sinn sie verstehen und dessen Wachsen sie erleben konnten, zu motivieren, sie weiterzubilden und zu qualifizieren und sie so in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Daher arbeiteten auch zwei Lehrer am Bau mit, die halfen, „theoretische Engpässe“ zu überwinden. Dieser Ansatz brachte bemerkenswerte Erfolge: diverse feste Arbeitsstellen konnten vermittelt werden, Prüfungen wurden bestanden und Lehren abgeschlossen.
An den Bauleiter, der von einem oder zwei Vorarbeitern unterstützt wurde, stellten sich hohe Anforderungen an seine Menschenführung, da er es nicht mit ausgebildeten Facharbeitern zu tun hatte. Anfang Februar 1988 konnte der Bau in der Halle der Werft beginnen, nachdem vorbereitende Arbeiten wie der Bau eines Gangspills und des Bratspills (eine waagerecht liegende Walze, 4,5 m lang, 60 cm stark, aus einem Eichenstamm gearbeitet für schwere Belastung wie Heißen des Segels, Ankerlichten und Ladearbeiten), des Ruders und der formgegebenden Mallen aus starkem Fichtenholz schon vorher erledigt worden waren.
Wissenswertes über Koggen
Die Kogge – ein verwandtes Wort kommt in vielen europäischen Sprachen vor und bedeutet „Muschel“ – bildete sich im Laufe einer jahrhundertelangen Entwicklung aus einem flachbodigen friesischen Wattenfahrzeug zu einem leistungsfähigen Seeschiff heraus. Die in der Weser gefundene Kogge stellt einen Höhepunkt dieser Entwicklung dar. Die Kogge war mehr als 200 Jahre lang das „Regelschiff“ der Hanse des 13. und 14. Jahrh., der Lastenträger dieses bedeutenden Wirtschaftsverbundes. Ostsee und Nordsee waren ihre Hauptfahrtgebiete, und auf der „Baienfahrt“ gingen sie bis in die Biskaya. Um den an einen „Massenguttransporter“ – nach damaligem Maßstab – gestellten Anforderungen zu genügen, mußte ein Schiff wirtschaftlich fahren, und die Maßstäbe dafür waren und sind im Grunde immer die gleichen: zuverlässige, hinreichend schnelle und zeitlich einigermaßen berechenbare Güterbeförderung bei möglichst niedrigen Betriebskosten, unter denen auch zur Zeit der Hanse die Personalkosten einen wichtigen Posten ausmachten. So stand dem hansischen Seemann neben seiner Heuer ein kleiner Teil des Laderaumes für eigene Geschäfte zu. Wichtigstes Hilfsmittel der Navigation war das Lot, das nicht nur Angaben über die Wassertiefe, sondern auch über die Beschaffenheit des Grundes lieferte; man fuhr nach mündlich überlieferten Segelanweisungen. Wer lesen konnte zog das „Seebuch“ zu Rate. Seekarten gab es noch nicht, und selten einmal einen Kompaß.
Die ersten drei Plankengänge liegen am Achterschiff in einer Sponung, die darüberliegenden Gänge schließen dagegen bündig mit dem Innensteven ab und werden später vom Außensteven abgedeckt. Gut erkennbar ist die enorme Verdrehung der unteren Plankengänge.
Tip zum Weiterlesen: ‚Die Kogge: Sternstunde der deutschen Schiffsarchäologie‘,Gabriele Hoffmann und Uwe Schnall (Hrsg.) Bremerhaven: Deutsches Schiffahrtsmuseum; Hamburg: Convent Verlag ISSN 0343-3625 • ISBN 978-3-86927-060-9